AssCompact suche
Home
Steuern & Recht
14. April 2022
Wie weit gehen vorvertragliche Aufklärungspflichten bei Pacht?

Wie weit gehen vorvertragliche Aufklärungspflichten bei Pacht?

Der Verpächter eines denkmalgeschützten aber renovierungsbedürftigen Herrenhauses muss im Rahmen der vorvertraglichen Aufklärung dem Pächter das Vertragsrisiko nicht abnehmen. Das hat das OLG Frankfurt bestätigt und dem Land Hessen ausstehende Pacht für ein Herrenhaus zugesprochen.

Das Land Hessen betreut rund 47 denkmalgeschützte historische Liegenschaften, u. a. ein ehemaliges Herrenhaus, das zur Führung eines gastronomischen Betriebs verpachtet wurde und sich zu dieser Zeit im Sanierungsstadium befand. Die Pächter eröffneten ihr Restaurant im Mai 2014. Heizung, Leitungssysteme und Lüftung waren dabei aus Zeitgründen noch nicht erneuert worden. Die Pächter übernahmen Renovierungsarbeiten im ersten Geschoss und Ausstattungen der Küche auf eigene Rechnung und berechneten die Eigenleistungen dem Land Hessen gegenüber. Pachtzahlungen erbrachten sie nicht. Das Land Hessen kündigte wegen des aufgelaufenen Zahlungsrückstands den Pachtvertrag im Januar 2019.

Land Hessen verlangt Räumung und ausstehende Pacht

Vor dem Landgericht verlangte das Land Hessen u. a. die Räumung des Herrenhauses und die Zahlung ausstehender Pacht in Höhe von rund 68.500 Euro. Dabei berücksichtigte es eine Minderung der Pacht um 50% für die Jahre 2015 bis 2017 und von 25% für das Jahr 2018.

Pächter sehen arglistige Täuschung bzgl. Objektzustand

Die beklagten Pächter begehrten widerklagend Schadensersatz in Höhe von rund 390.000 Euro, u. a. wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten. Sie seien über den Zustand des Herrenhauses arglistig getäuscht worden.

OLG: Gaststättenbetrieb hat durchgehend Umsatz generiert

Das Landgericht hatte der Klage des Landes Hessen stattgegeben und die Widerklage der Pächter zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte nun auch vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) keinen Erfolg. Der Argumentation des OLG zufolge könne das Land Hessen die Zahlung der berechneten Pacht verlangen. Der vertragsgemäße Gebrauch des Herrenhauses sei zu keinem Zeitpunkt ausgeschlossen gewesen. Die Gaststätte sei durchgehend betrieben worden und es seien erhebliche Umsätze generiert worden. Zudem hätten die Parteien vertraglich wirksam das einseitige Minderungsrecht der Pächter ausgeschlossen.

Keine Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten

Dem OLG zufolge können die beklagten Pächter gegen diese Forderung auch nicht aufrechnen, da die Parteien wirksam ein Aufrechnungsverbot für umstrittene Forderungen vereinbart hätten. Sie könnten auch nicht Schadensersatz wegen der Verletzung von vorvertraglichen Aufklärungspflichten verlangen. Die Forderung sei bereits nicht hinreichend bestimmt.

Zudem beziehe sich die Berechnung auf das Anlagevermögen einer GbR, die selbst aber nicht Vertragspartnerin geworden sei. Es sei auch nicht dargelegt, dass es sich bei dem eingeklagten Betrag um Aufwendungen für die Beseitigung von Mängeln oder eine Wertminderung handele.

Schließlich habe das Land auch keine vorvertraglichen Pflichten verletzt. Der Umfang der geschuldeten Aufklärungspflichten des Vermieters richte sich nach dem Einzelfall. Ein Vermieter sei nicht gehalten, „dem Mieter das Vertragsrisiko abzunehmen und dessen Interessen wahrzunehmen“. Es sei vielmehr Sache des Mieters, sich umfassend zu informieren und zu klärungsbedürftigen Punkten Fragen zu stellen. Hier habe das Land Hessen weder einen „bestimmten Zustand der Pachtsache garantiert noch irrtums- bzw. täuschungsrelevante Erklärungen über den Zustand abgegeben oder solche Erklärungen pflichtwidrig unterlassen“. Insbesondere seien die Angaben des Landes zum Sanierungszustand des Objektes nicht pflichtwidrig falsch gewesen, so das OLG.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Zulassung der Revision beim BGH begehrt werden. (ad)

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 06.04.2022 – 12 U 323/20

Bild: © spuno – stock.adobe.com